WIE IM LANDKREIS FREYUNG-GRAFENAU ALTE BRÄUCHE ZUM LEBEN ERWACHEN.Winter.Zauber

Die Rauh- oder auch Losnächte gehören seit mittlerweile 20 Jahren zu einem festen Bestandteil des Vereins Lousnacht e.V. in Neuschönau. Zum 20. Jubiläum am 5. Januar 2017 gibt es hier nun einen kleinen Einblick in die Geschichte von Bräuchen und Sagen aus der Region.

Winterzauber in der Lousnacht

„Wir hatten eine Landwirtschaft und meine Mutter ist Weihnachten immer in den Stall gegangen, um mit Räuchern böse Geister zu vertreiben. Man sagte, dass in dieser Nacht die Kühe miteinander reden“, erzählt Hans Blöchinger. Er stammt aus Altschönau und ist Leiter des Lehr- und Fachzentrums und der Ökoakademie in Kringell. Hans kann sich noch gut an die erste Koishüttler Lousnacht (Koishüttl = Neukaiserhütte ist der alte Name von Neuschönau, Lousnacht = Losnacht oder auch Rauhnacht) erinnern. In der Zeitung stand eine falsche Uhrzeit für den Auftritt und so gingen die Zuschauer teilweise wieder, bevor die Waldgeister und Sagengestalten ihren Auftritt hatten.

Die Herkunft des Wortes Rauhnacht ist umstritten. Eine Herleitung geht mit dem Beräuchern der Stallungen mit Weihrauch einher, die sich mit Hans‘ Beschreibungen decken.

Wanderung in der Lousnacht

Hans ist Mitinitiator vom Verein Lousnacht e.V., der 2017 seinen 20. Jahrestag feiert. Am Anfang vom Gemeinderat heraus organisiert, haben sich die mittlerweile über 75 Mitglieder zu einem Verein zusammengeschlossen. Im Verein selbst ist von sieben bis 70 Jahren jede Altersgruppe vertreten und jeder der möchte, darf mitmachen, ob er nun gebürtig aus der Gegend stammt oder neu zugezogen ist.

Um Menschen, die die Sagengestalten des Landkreises Freyung-Grafenau nicht kennen, einen Zugang zu diesem Brauch zu ermöglichen, brauchte der Verein einen Moderator, den Dodama (hochdeutsch: Vogelscheuche), den Hans Blöchinger verkörpert. Die Vogelscheuche sieht, was das ganze Jahr geschieht und berichtet während der Rauhnächte davon. Der Ausgangspunkt für diese junge Tradition war der, dass die Kinder damals aufgewachsen sind „fast ohne Fernseher, mit wenig Licht und dann ist diese tote, finstere Zeit im November gekommen. Ich erinnere mich, wie mein Großvater mit Ketten ums Haus gegangen ist, um den Nikolaus anzukündigen. Wir wussten natürlich nicht, dass das der Großvater ist, der da ums Haus geht“, berichtet Hans.

Vor den Rauhnächten findet das Wolfauslassen statt, das zum Teil mit den Rauhnächten verbunden wurde. Das Wolfauslassen ist ein Fest zum Abschluss der Weidesaison. Die Hirten kamen im Herbst mit dem Vieh von den Weiden in den Bergen und brachten es zu ihren Bauern zurück. Es ist die Zeit, in der sich die Besitzer bedanken, dass die Tiere wieder heil bei ihnen angekommen sind. Dazu schnallen sich beim Wolfauslassen (traditionell am 10. November, dem Abend vor Martini) die Hirten die Glocken selbst um, – teilweise bis zu 90 cm große und bis zu 35 Kilogramm schwere Kuhglocken, die dann gemeinsam geläutet werden.

Die Koishüttler Lousnacht wird in Neuschönau traditionell am 5. Januar, zur Nacht vor dem Feiertag Heilige Drei Könige, begangen. Hierzu erscheinen alle Hexen, Woidhaus Michl und Co., die der Verein zu bieten hat. Der Dodama berichtet zu Beginn, was sich in dem Jahr ereignet hat, woraufhin die Wolfauslasser und die Waldgeister dann zwischen Kirche und Friedhof auf den Marktplatz einmarschieren und sich in drei Gruppen um drei Feuerstellen sammeln. Diese Gruppen umfassen den Woidhaus Mich und den Lusenteufel, die Howagoaß und die Hexengruppe, die gegeneinander um die Vorherrschaft des Lusengipfels kämpfen. Der Auftritt der Gruppen dauert in etwa zwei Stunden, bis der Lusenteufel als Sieger über seine Konkurrenten hervorgeht und ruft: „Der Herr vom Lusen bin ich!“

Anschließend wird der Mühlhiasl, der Bayerwaldprophet, in Szene gesetzt. Mucksmäuschenstill lauschen die Geister und Zuschauer seinen Wahrsagungen. Die Weiterentwicklungen, die innerhalb der Koishüttler Lousnacht entstehen, begeistern Hans Blöchinger immer wieder: „Es ist sehr viel Dynamik in dieser Geschichte. Die Sagengestalten entwickeln sich im Laufe der Zeit immer weiter.“

Am Ende werden dem Publikum die verschiedenen Masken und Sagengestalten vorgestellt, bevor die Waldgeister sich nach der Veranstaltung in die Gaststätten von Neuschönau begeben, ihre Masken abnehmen und ihre Gesichter hinter den wilden Kostümen zeigen. Einen solchen Auftritt zu absolvieren, bedeutet einen richtigen Kraftakt zu vollbringen.

Typische Masken in der Lousnacht

Denn eine Maske wiegt ungefähr zwei bis drei Kilogramm, die Kostüme etwa fünf bis zehn. Durch die dicken Felle staut sich Hitze an und nach zwei Stunden ist die Erschöpfung aller Beteiligten dementsprechend groß.

Das Brauchtum gehört zu Freyung-Grafenau dazu, es ist ein Teil davon.

Zu Heilige Drei Könige ist dann wieder Schluss mit dem Geistertreiben bis Anfang Oktober, wo sich die Geister erneut treffen, um ihre Choreographie zu proben und sich auf die kommenden Rauhnächte vorzubereiten. „Wir wollen nur in der Zeit, in der die Geister unterwegs sind, unser Erscheinen kundtun und dann wieder verschwinden“, erklärt Hans.

Die Masken allerdings sollen das ganze Jahr ausgestellt werden, sobald die alte Schule und das Gemeindehaus in Neuschönau umgebaut worden sind. Denn die geschnitzten Gesichter sind Unikate und wertvolle Kunststücke: eine Maske kostet um die 1000 Euro und wird nach der Fertigung von seinem Träger in detailverliebter Arbeit mit Rosshaar, Kuhhörnern, alten Jacken, Schafsfellen sowie Lederhäuten und Wolle perfektioniert, sodass jedes Vereinsmitglied individuelle Kostüme gestaltet.

Hans Blöchinger ist ein wahres Landkreis-Urgestein: „Der Landkreis ist sehr lebens- und liebenswürdig. Ich glaube, hier gibt es unglaublich viel Potenzial. Das Brauchtum gehört zu Freyung-Grafenau dazu, es ist ein Teil davon. Darin sehe ich eine Alleinstellung gegenüber anderen Landkreisen. Eine derart große Anzahl an Sagengestalten und Erzählungen auf so kleinem Raum findet man selten.“

Mit den Bräuchen und Geschichten aus dem Landkreis Grenzen zu überwinden ist ein Ziel, mit dem sich der Verein Lousnacht e.V. schon lange auseinandersetzt: Grenzen zum Fantastischen, Grenzen zwischen Menschen und zwischen Ländern – all das soll während der Losnächte überwunden werden. Wie sich herausstellt, geschieht diese Grenzüberschreitung mit Erfolg: Dieses Jahr haben die Neuschönauer Waldgeister wie im vorigen Jahr auch in Třeboň in Tschechien beim Engelstreiben am 3. Dezember 2016 mitgemacht und ihren Auftritt vor 4000 Menschen absolviert. „Wir sind im Mittelpunkt Europas angesiedelt“, meint Hans Blöchinger und freut sich, diese Tatsache für sich und seinen Verein nutzen zu können und Brauchtum und Traditionen zu fördern.

Die Gestalten der Koishüttler Lousnacht:

Wer sich genauer mit den Gestalten um die Losnächte befassen möchte, wird sich über das Buch „Sagen und Masken um die Rauhnächte“ von Petra Killinger freuen. Das Buch ist über die Tourist-Info in Neuschönau zum Preis von 14,80 € erhältlich.


Text: Isabelle Matějka
Bilder: Daniela Blöchinger, Lousnacht e.V.

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